Dez 2018: Wie immer spielte der kleine Drache mit seinen Freunden im Wald fangen, als er auf einen Baumstumpf fliegen wollte und seine Flügel nicht mehr bewegen konnte. Kehio konnte ihn daher ganz leicht fangen, doch anstatt sich zu freuen, ihn gefangen zu haben, wurde er wütend und beschuldigte den kleinen Drache, dass er sich habe mit Absicht fangen lassen. Er hinterfragte nicht einmal, wieso der kleine Drache nicht wie immer mit Leichtigkeit auf und davon geflogen war. Beleidigt zog sich Kehio zurück und wollte zunächst nichts mehr mit dem kleinen Drachen zu tun haben. Der kleine Drache war geknickt, denn Kehio war einer seiner besten Freunde und er wollte ihm erklären, wieso er sich so leicht hatte fangen lassen, doch dazu gab es keine Gelegenheit.
Etwas Zeit verging und der kleine Drache hatte erfahren, dass einige Nerven und Muskeln in seinen Flügeln nicht mehr so funktionierten wie sie eigentlich sollten. Dadurch konnte er sie nicht mehr richtig bewegen und mit ihnen nicht mehr fliegen. Dies machte den kleinen Drachen sehr traurig, denn was ist er denn für ein Drache, wenn er nicht mal fliegen kann? Er schämte sich dafür, versuchte es so wenig wie möglich zu zeigen, spielte weniger im Wald und zeigte sich nur noch selten bei Freunden. Eines Tages überbrachte Kehio ihm die Nachricht, dass er mit ihm reden möchte, aber dafür müsste der kleine Drache zum Friedensbaum in die Krone kommen, denn nur dort vertraue Kehio ihm. Die Krone dieses Baumes ist dafür bekannt, dass dort die Wahrheit gesagt wird und die Gespräche immer friedlich ausgetragen werden. Der kleine Drache las die Nachricht und fiel in ein tiefes Loch der Traurigkeit, denn wie nur sollte er jemals in die Krone des Friedenbaums gelangen, wo er doch nicht mehr fliegen kann? Und wie sollte er Kehio nur erklären, dass er nicht kommen kann, wo er doch zu gern mit ihm hat reden wollen? Dieses Missverständnis aus dem Weg räumen und die starke Abwehrreaktion von Kehio verstehen wollte?
Er grübelte und grübelte, versuchte angesträngt seine Flügel zu bewegen, doch nichts passierte. Er weinte viele Tränen, bis er Kehio mit einem kleinen Spatz mitteilen musste, dass er leider nie in die Krone des Baumes kommen wird. Anstatt das Kehio eine andere Alternative in Betracht zog oder hinterfragte, wieso dieser Treffpunkt nicht möglich war, fühlte sich Kehio reingelegt, belogen und war wütend. Er glaubte, der kleine Drache wolle sich nicht mit ihm unterhalten, er sei ihm nicht wichtig genug. Während der kleine Drache immer wieder versuchte, den Baum hinauf zu klettern, sich die Krallen blutig schürfte, Schmerzen am ganz Körper von den Stürzen bekam und die Schmerzen in den Flügeln immer stärker wurden, sperrte Kehio den kleinen Spatz ein, so dass der kleine Drache nie eine Antwort von ihm hörte und auch nicht mehr mit Kehio kommunizieren konnte.
Der kleine Drache war so voller Trauer und Schmerz, dass er sich unter dem Baum einrollte und in seinen Tränen fast ertrank. Die Schlangen lachten ihn aus, dass er zitternd, frierend im blutigen Wasser seiner Tränen lag. Die Hasen stupsten ihn an und machten sich über ihn lustig, dass er sie nicht mal versuchte zu fangen. Sie sahen einen kleinen Drachen, mit großen Flügeln, einem starken Körper und großem Kopf. Was jedoch keiner von ihnen sah, lag im inneren verborgen. Eines Tages flog Kehio bei der Nahrungssuche über den kleinen Drachen hinweg. Er war nicht mehr grün, warm und strahlend, nein er war nun eisig kalt, ganz weiß und lag zitternd auf dem Boden. „Was ein Egoist, der nun nach Aufmerksamkeit suchend solche Tricks anwendet!“, dachte sich Kehio und flog hoch zum Ast. „Scheinst dich ja prächtig ausgelebt zu haben und dein neues Leben zu genießen, du Faulpelz“, schrie er von oben herab. Einen kurzen Moment lang schaffte es der kleine Drache die Augen zu öffnen und den Kopf leicht zu drehen, um Kehio oben in der Ferne zu erblicken. Zu gerne wäre er doch hochgeflogen und hätte sich mit ihm ausgesprochen, sich erklärt und seinem Freund gezeigt, wie schlecht es ihm doch ging und wie sehr er sich dafür hasste, dass er nicht mehr fliegen und für ihn da sein konnte….
Doch das was keiner sah, war die Zeit, in der der kleine Drache immer wieder versuchte auf Bäume zu klettern, versuche seine Flügel wieder zum Fliegen zu bringen. Doch je mehr er sich bemühte, desto schlechter ging es ihm. Die Tränen und die Anstrengung ließen ihn kalt werden und zittern. Er versuchte sich ein Feuer zum Wärmen zu machen, konnte jedoch nur wenig Äste auf dem Bogen finden. Als er endlich nach langer Zeit einige Äste zusammen gesucht hatte, konnte er kein Feuer mehr speien, egal wie sehr er sich anstrengte, nicht mal ein Funken kam aus seinem Rachen. Durch die ganze Trauer und Versuche zu fliegen, hatte der kleine Drache seine Muskeln zu sehr überanstrengt und sein Kopf funktionierte nicht mehr richtig. Er wusste nicht mehr, wie er Feuer speien konnte, wie konnte er das nur vergessen, er war doch ein Drache! Er ärgerte sich so sehr, hasst sich, verstand die Welt nicht mehr.. nach außen hin sah er mächtig und prachtvoll, ja fast furchteinflößend aus in seiner neuen weißen Pracht. Doch innerlich war er kaputt, zerbrechlich und tiefst traurig, denn er hatte kaputte Flügel, einen kaputten Kopf, konnte kein Feuer mehr machen, hatte keine Kraft mehr und sein Herz, welches ihm so sehr schmerzte, fror immer mehr ein. Es erstarrte immer wieder für ein paar Augenblicke, erwärmte sich dann wieder, wenn der kleine Drache von seiner alten Zeit mit den Freunden träumte und schmerzte dann wieder umso mehr, wenn der kleine Drache aufwachte und merkte, dass er doch ganz allein war und machtlos etwas zu ändern.
Man sagte ihm, mit der Zeit würden die Nerven und Muskeln wieder heilen und dann könne er auch wieder fliegen. Doch wie nur sollte er es jemandem erklären, der scheinbar nicht warten wollte und nicht mal bereit war ihm entgegen zu kommen?
Langsam fragte sich der kleine Drache, ob Kehio ihn jemals gern gehabt hat oder nur mit ihm gespielt hat, weil nicht viele andere Waldbewohner gern Fangen spielten. Langsam zweifelte der kleine Drache sein ganzes Dasein an, grübelte, war traurig, fühlte sich leer und missverstanden. Er war so wütend über sich selbst, dass er ständig weinte, dass er nicht mehr richtig denken und kein Feuer mehr machen konnte… er zitterte und ihm war so kalt, doch er sah keine Möglichkeit daran etwas zu ändern. Er verstand nicht, wie es nur so weit kommen konnte und fragte sich, ob es mit einem sichtbar gebrochenen Flügel genauso gekommen wäre. Hätte sein Freund Kehio dann nicht eher geholfen? Rücksicht auf den kaputten Flügel genommen? Ihn nicht aufgefordert zu fliegen und unter Druck gesetzt? Wieso ist es nur so viel schwieriger nicht sichtbare Schmerzen zu erklären? Wieso können selbst beste Freunde nicht verstehen, dass einige Dinge nun mal unmöglich sind, selbst wenn der Äußere schein zeigt, dass es machbar sei? Wieso ist es nur so schwer zu glauben und zu vertrauen? Und warum kann es nicht akzeptiert werden, dass Gründe nicht immer sichtbar sein müssen und das Äußere nicht alles ist, was ein Wesen ausmacht? Das Innere ist doch das was zählt und was oft so viel mehr schmerzt und kaputt gehen kann… nur die Wenigstens hinterfragen das Handeln oder die Aussagen, selbst von Freunden. Kein Wunder, denn sie interpretieren ja lieber aus eigenem Ermessen und gehen von unbestätigten Tatsachen aus.
Ist der kleine Drache wirklich nutzlos, gemein und ein schlechter Freund, nur weil er innerliche Verletzungen hat, wodurch er nicht mehr fliegen kann? Sieht denn keiner, wie weit es den kleinen Drachen zu einem anderen Wesen getrieben hat, ohne dass der kleine Drache dies je wollte, nur weil er seinen Freund Kehio wieder haben wollte und sich so sehr bemüht hat, dass er seine Lebensfreude daran verloren hat? Der kleine Drache rollte sich ein, er fühlte sich so leer und so hoffnungslos. Eine Träne kullerte über sein Gesicht, er versuchte wieder zu träumen, doch selbst dies ließ sein Kopf nicht mehr zu…..
~Dely