Eigentlich wollte ich den heutigen Tag groß feiern, Location und Catering waren bereits angefragt und auch die Gästeliste war angefertigt. Doch die letzten Monate ließen mich Zweifeln, ich hatte so große Angst, dass keiner zu einer Feier kommen würde, dass ich mich gar nicht mehr getraut habe, zu fragen. Und wer mich kennt weiß, dass ich es immer geliebt habe, mit Freunden zu feiern, sie zu bewirten und eine tolle Party zu organisieren.
Nunja, ich habe Geld gespart, muss nicht aufräumen und es sind keine Reste übrig geblieben. Eigentlich sollte ich mich freuen….
Doch stattdessen bin ich traurig, frage mich, wieso ich überhaupt älter geworden bin. Bereits 2 Mal bin ich dem Tod knapp entkommen und ich verstehe es nicht, selbst Ärzte sagen, es sei eigentlich gar nicht möglich, doch ich lebe noch. Irgendwie wäre ich lieber in dem Glauben gestorben, dass mich Menschen gern gehabt haben, als hier zu stehen, einsamer als je zuvor und alles verloren zu haben.
Mein Leben lang war ich nie genug, für euch, für die Gesellschaft, für jeden. Immer nur durfte ich mir anhören, das ich nicht dazu gehöre, dass “etwas mit mir nicht stimmt”, ich mir Hilfe suchen soll. Und ich bin euren Vorstellungen von mir hinterher gelaufen, habe mich geändert, angepasst, habe Therapien gemacht, mit diversen Therapeuten gesprochen, Kliniken und Rehas besucht. Medikamente ausprobiert, Lichttherapien, Geruchstherapien und andere Medizin. Mich und meine Krankheit für euch versucht zu verstehen und zu unterdrücken, um ein Platz in euren Leben zu bekommen. Damit ich irgendwann für irgendwen mal “genug” bin. Doch das war ich nie und bin ich bis heute nicht.
Dely,
du bist zu kompliziert,
du redest zuviel,
du denkst zuviel nach,
du bist nicht spontan,
sei doch mal selbstbewusster,
sei menschlicher,
du musst stärker sein,
sei nicht so sensibel,
lass dir endlich helfen,
du bist zu krank…
Ich habe mir mein Leben lang alles angehört, mich ständig entschuldigt, bin immer wieder auf Menschen zugegangen, die mich verletzt oder missverstanden haben. Hab an mir Dinge verändert, mich bemüht, bin Euren Vorstellungen von mir nachgerannt, nur um ein Teil von eurem Leben zu sein.
Ich kann nicht mehr, denn ich habe mich dabei komplett verloren. Ich werde nie genug für euch sein. Und ich habe doch nur gehofft, dass jemand mal auf mich zukommt, vielleicht mit mir redet, mich wertschätzt.
Ich rede zu viel? – Vielleicht bist du einer der wenigen Menschen, bei dem ich so viel Vertrauen habe, dass ich rede..
Ich brauche zu viel Struktur und denke zu viel nach? – Vielleicht möchte ich keine Fehler machen und fühle mich bei dir absolut unsicher?
Ich bestelle zu oft Essen und bin kaum noch auf einer Party? – Vielleicht weil ich schon seit Tagen die Wohnung nicht mehr allein verlassen konnte und es nichtmal zum Einkaufsladen geschafft habe
Ich drücke dich weg/geh nicht auf dich zu? – Vielleicht weil ich so oft von dir verletzt wurde, dass ich Angst davor habe, dass du das wieder machst?
Ich analysiere alles mögliche, versuche immer alles zu verstehen und frage nach. Doch am Ende heisst es jedes Mal, dass ich, Dely das Problem sei. Zu krank, zu anstrengend, zu kompliziert, lässt sich nicht helfen. Wieso kann man mich nicht akzeptieren, wie ich bin und evtl. kommunizieren,was einen extrem stört? Vielleicht möchte ich bei einigen Dingen keine Hilfe, weil ich akzeptiert habe, dass ich so bin. Würdet ihr jemanden ohne Arme auch auf diversen Wegen versuchen zu helfen, damit er klettern kann? Vielleicht möchte er gar nicht klettern? Vielleicht kann man mit ihm aber super Inlineskaten oder ähnliches?
Seit Jahren habt ihr alle immer wieder versucht, mich zu ändern oder Abstand gesucht. Oft weiß ich nicht wieso. Ich habe keine Energie und keine Kraft mehr. Ich würde mich gern wiederfinden.
Offensichtlich möchte die Welt nicht, dass ich gehe, also muss ich einen Weg finden, weiter zu machen. Ich würde gern mit Freunden lachend durch die Welt tanzen. Doch ich kann niemanden zwingen, mit mir Kontakt zu haben. Ja, ich habe eine psychische Behinderung, die geht nicht einfach so weg. Man kann diese akzeptieren und ich bin sicher, dass man mit mir auch tolle Momente erleben kann. Doch versucht nicht ständig, mich zu ändern. Ich bin es so leid, dass ich euren ganzen Ansprüchen und Vorstellungen hinterher gerannt bin und gar nicht mehr weiß, wer ich eigentlich bin oder sein möchte.
Ich sitze hier, heulend und allein und wünsche mir an meinem Geburtstag nur eines: Eine Zeitmaschine, um heute nicht mehr am Leben zu sein, sondern vor 2 Jahren in meinem Zelt auf dem Hörnerfest erstickt/ertrunken zu sein. Doch diesen Wunsch wird mir keiner erfüllen können.
Ich werde weiter leben müssen und wünschte, dass ihr da draußen, mich gern in eurem Leben hättet, mir das zeigt und mich akzeptiert, wie ich bin, mit all dem Positiven (was ich mal hatte) und meiner Behinderung und mehr kommuniziert. Und nicht ständig doofe Aussagen und „Tipps“ mit such dir Hilfe, geh in die Klinik. Verdammt das hab ich alles schon gemacht und darum geht es hier nicht!
~ Dely